Von zuhause arbeiten klingt für die meisten Arbeitnehmer nicht mehr neu. Dennoch ermöglicht erst jedes 3. Unternehmen in Deutschland seinen Mitarbeitern einen virtuellen Arbeitsplatz. Unsere Autorin hat den Selbsttest gemacht. Im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichte Axians ihr im ersten Babyjahr einen virtuellen Arbeitsplatz. Worauf es dabei technisch und auch sozial ankommt, hat sie am eigenen Leib erfahren und zieht das Fazit: Virtuell ist sehr reell!

 

In den ersten Wochen meiner Arbeit via virtuellem Arbeitsplatz erlebte ich einige überraschende Momente. Zu meinem Kollegen Ulf Petersen, unserem Collaboration-Experten, baute ich in dieser Zeit eine kollegial enge Beziehung auf, da ich sehr häufig seinen Rat einholte.

„Über die Technik musst Du Dir nur bedingt Gedanken machen. Wichtig ist, dass Du Dir über zwei Sachen bewusst bist: a) Dass du deinem Netzwerk bzw. WLAN zuhause vertraust und es so sicher wie möglich machst und b) Wie du am liebsten arbeitest.“, erklärte er mir eingangs. Die Antworten darauf kannte ich: a) ja und b) am liebsten ungestört. Als ich ihm das sagte, lachte er kurz und meinte, wir würden uns nochmal unterhalten, wenn ich meine ersten Erfahrungen gesammelt hätte.

Technik ist kein Hexenwerk

Von zuhause zu arbeiten, ist technisch nicht sonderlich ungewöhnlich: Laptop einschalten, ins WLAN einwählen, VPN-Client starten und schon trudeln die ersten E-Mails ein. Wir verwenden den Jabber Client von Cisco. Das heißt für mich als Endanwender: solange die Systeme in meiner Firma einwandfrei funktionieren, kann ich einwandfrei von zuhause arbeiten. Dies funktioniert prinzipiell von überall, solange ich nur eine Internet Verbindung aufbauen kann – sogar ohne die VPN Verbindung meines Laptops. Das nennt sich Mobile Remote Access.

Selbsttest: Wieviel Virtualität im Arbeitsalltag tut gut?

Aller Anfang ist IP-Telefonie

Was mich allerdings aus der Bahn warf, war die Telefonie: zu viele Optionen. Zuerst wusste ich gar nicht, welche Möglichkeiten der Telefonie es gibt. Eine meiner ersten Collaboration Telefonie-Erfahrung war dann leider auch das sogenannte „Softphone“: Wenn kein dediziertes IP-Telefon zuhause an meinem virtuellen Arbeitsplatz integriert ist, landen alle Anrufe zu aller erst auf meinem Laptop. Nehme ich einen Anruf damit an, dann telefonieren mein Gegenüber und ich via integriertem Lautsprecher und Mikrofon des Laptops. Doch die Akustik gefiel mir gar nicht. Mit einem Headset passte die Kommunikation, nur merkte ich schnell, dass mir das Telefonieren mit Headset nicht gefiel. Danach entschied ich mich für eine reine Umleitung meines Firmenanschlusses auf mein Handy – das erschien mir sinnvoll. Als Ulf davon erfuhr, sagte er nur “Wie old-school – willst Du immer Dein Handy benutzen?“ und schon legte er los mit einer fachkundigen Beratung. Zusammenfassend halte ich fest, welche technischen Möglichkeiten er mir erklärte:

  • Klassische Rufumleitung auf externe Nummer (old-school)
  • One Number Konzept (Single Number Reach), Profile mit automatischen, zeitgesteuerten Umleitungen auf beliebige externe Rufnummer (z.B. Mobil).
  • Cisco Jabber Client via VPN auf Laptop
  • Cisco Jabber Client ohne VPN Verbindung (MRA- Mobile Remote Access) – auch z.B. für Smartphone über Datenverbindung (GSM)
  • Cisco IP Telefon via MRA
  • Extend & Connect Profile – Dial via Office an beliebiger externen Rufnummer (z.B. Hotelzimmer)

Als Fazit nahm ich mit: Mit einem IP-Telefon kann ich genauso telefonieren, wie im Büro, habe alle Funktionalitäten sowie eine integrierte Kamera und bin telefonisch unabhängig vom Laptop. Außerdem verwaltet das System meine Telefonate.

„Solange Du noch keines hast, kannst Du auch einfach den Jabber Client auf deinem Smartphone dafür nutzen oder das One-Number Konzept der Anlage nutzen: automatische, zeitgesteuerte Umleitung auf das Smartphone. Ist zwar nicht so komfortabel wie ein IP-Telefon, aber erfüllt seinen Zweck“, riet er mir.

Das meinte Ulf also mit: „wie möchtest Du am liebsten Arbeiten“… Ich verfüge inzwischen über ein IP-Telefon zuhause.

Selbsttest: Wieviel Virtualität im Arbeitsalltag tut gut?

Die Fallstricke des virtuellen Arbeitsplatzes

Neben der technischen Änderung, die ein virtueller Arbeitsplatz mit sich bringt, spürte ich die Auswirkungen ebenfalls auf sozialer und auf kommunikativer Ebene. Zu Beginn ging ich den Fallstricken des virtuellen Arbeitsplatzes voll auf den Leim. Ich startete zweckmäßig gestylt in den Tag. Wen stört das schon? Telefoniere ja überwiegend! Dazu bewegte ich mich so gut wie gar nicht vom Fleck und arbeitete meist stundenlang ohne Pause. Oder ich ließ mich ablenken vom Haushalt, dem Postboten, den Nachbarn, der Müllabfuhr oder meiner damals wenige-Monate-alten Tochter. Schnell lernte ich, dass die Nutzung eines virtuellen Arbeitsplatzes zwei Eigenschaften besonders fordert: Disziplin und Konzentration.

In der Zusammenarbeit mit meinen Kollegen merkte ich, dass ich einfach immer besser vorbereitet sein musste, als im Büro. Was man früher mal eben zwischen Tür und Angel klärte, ging nun nicht mehr. Dazu sammelte ich eine weitere wertvolle Erfahrung, die ich mit unserer Video-Telefonie machte. Diese lief nämlich ohne IP-Telefon standardmäßig ebenfalls über den Laptop. Anfangs war meine Laptop-Kamera immer aktiviert, was mir allerdings nicht bewusst war. Erst als Ulf mich auf den vertrockneten Strauß Tulpen in der Blumenvase hinter mir ansprach, dämmerte es mir. Dass ich vor unserem Gespräch so einige Online-Meetings mit Kamera geführt haben musste, trieb mir im Nachhinein noch die Schames-Röte ins Gesicht. Das war für meinen Geschmack ein wenig zu reell!

Selbsttest: Wieviel Virtualität im Arbeitsalltag tut gut?

Virtualität tut gut, mit einer Einschränkung

Mein Selbsttest verlief sehr gut. Ein virtueller Arbeitsplatz ermöglicht mir mehr Flexibilität und überzeugt mich darüber hinaus von seiner Funktionsweise. Mein IP-Telefon will ich wirklich nicht mehr missen. Kurze Rückmeldungen per Smartphone schreiben, wenn ich gerade in der Küche einen Kaffee koche, Online-Meetings ansetzen, Dokumente teilen und immer wieder telefonieren, machen das Arbeiten am virtual Desk für mich produktiv. Ich kann ungestörter und dadurch effektiver arbeiten als im Büro, weil ich weniger Unterbrechungen habe.
Inzwischen nutze ich ihn nur noch einen Tag pro Woche: diszipliniert, fokussiert und mit Pausen. Der Postbote kann klingeln, so viel er will, wenn ich keine Zeit habe, bleibt er vor verschlossenen Türen stehen.

Das Einzige, was trotz allem einen faden Beigeschmack hat, ist das Soziale. Natürlich sehe ich meine Kollegen via Video-Calls und alles ist sehr reell. Dennoch bin ich „schlagartig alleine“, wenn ich auflege. Daher freue ich mich auch immer auf den nächsten Arbeitstag, wenn ich wieder ins Büro fahre und gemeinsam einen Kaffee trinken kann – am liebsten mit Ulf.