Sie sind in einem Konzern in einer reinen Vertriebsgesellschaft tätig? Ihr Zuständigkeitsgebiet ist ein spezieller Markt und Sie vertreiben Produkte, die an anderen Standorten des Konzerns hergestellt werden? Oder sind Sie in einem Produktionswerk für den Einkauf zuständig und bestellen Rohstoffe bei einem Zulieferer, der zwar zu Ihrem Konzern, nicht aber zu Ihrem Unternehmen gehört?
In diesen Fällen sprechen wir bereits von Intercompany-Prozessen. Rein definitorisch beschreibt der Intercompany-Prozess eine buchungskreisübergreifende Geschäftsabwicklung. Diese findet zwischen zwei Firmen mit jeweils eigenem Buchungskreis statt, die derselben Organisation angehören (z.B. Konzernstruktur). Üblicherweise arbeiten die Firmen auf demselben SAP-System sowie auf demselben Mandanten.
Sales und Sourcing and Procurement: Vertriebs- und Einkaufssicht im Vergleich
Intercompany-Prozesse lassen sich in den zwei SAP-Modulen Sales und Sourcing and Procurement abbilden. Um zu beurteilen, welches Modul sich in welchem konkreten Fall besser eignet, gilt es zunächst die Unterschiede der buchungskreisübergreifenden Geschäftsabwicklung aus Vertriebs- und Einkaufssicht zu betrachten:
Aus Vertriebssicht (Sales) stellt sich der Intercompany-Prozess wie folgt dar: Die Verkaufsorganisation, die dem auftraggebenden Buchungskreis zugeordnet ist, erfasst einen Kundenauftrag. Mittels dieses Auftrags verkauft die Verkaufsorganisation Waren von einem Werk, das einem anderen Buchungskreis zugeordnet ist. Die Waren werden vom Werk des anderen Buchungskreises an den Kunden geliefert, für den die Verkaufsorganisation die Ware bestellt hat.
Aus Einkaufssicht (Sourcing and Procurement) erfasst die Einkaufsorganisation des auftraggebenden Buchungskreises eine Bestellung. Die Waren werden vom Werk des anderen Buchungskreises an das Werk geliefert, für welches die Einkaufsorganisation die Ware bestellt hat.
Da beide Buchungskreise ihre eigene Bilanz erstellen, muss der liefernde Buchungskreis die Waren des auftraggebenden Buchungskreises in Rechnung stellen. Für diese interne Verrechnung wird eine interne Faktura verwendet.
Buchungskreisübergreifende Verkaufsabwicklung (Sales)
Allgemeine Vorteile:
- einfacherer Prozess als bei buchungskreisübergreifender Umlagerung
- kürzere Rüstzeit, da keine Umlagerung
Allgemeine Nachteile:
- nicht konsolidierte Lieferung (keine Zusammenfassung von Warenströmen bei der Auslieferung an den Endkunden möglich), dadurch höhere Logistikkosten
Buchungskreisübergreifende Umlagerung (Sourcing and Procurement)
Allgemeine Vorteile:
- geringere Lagerhaltungskosten (bei der auftraggebenden Organisation)
- geringere Logistikkosten (z.B. ein Lieferschein = eine Lieferung)
- konsolidierte Lieferung (Zusammenfassung von Warenströmen bei der Auslieferung an den Endkunden möglich)
Allgemeine Nachteile:
- komplexerer Prozess als bei buchungskreisübergreifender Verkaufsabwicklung (mehr Warenbewegung)
- längere Rüstzeit aufgrund interner Umlagerung
Welcher Prozess entspricht eher Ihren Anforderungen?
Um das richtige Szenario auszuwählen, sollten zuvor die Konzernziele sowie die Logistikparameter analysiert werden. Rein technisch können zwar auch beide Szenarien gleichzeitig im SAP S/4HANA-System hinterlegt werden, in der Praxis entscheidet man sich jedoch üblicherweise für eine der beiden Alternativen.
Zunächst sollten Sie also festlegen, welches Ziel Ihr Konzern verfolgt. Sollen zum Beispiel Lagerbestände generell reduziert werden? Soll eine schnellere Belieferung erfolgen? Oder stehen Ziele wie Kostenreduktion oder Expansion im Vordergrund?
Betrachtet man die Logistikparameter, spielen Faktoren wie Materialverfügbarkeit, Lagerfähigkeit des Produkts oder Produkteigenschaften eine Rolle – dazu gehören u.a. Preissegment, Qualität, Größe und Form des Produkts. Zudem sollte die bestehende Logistik berücksichtigt werden: Werden zwischen den Werken bereits Materialien ausgetauscht oder nur direkt vom Produktionsstandort bezogen? Sind interne Logistikkapazitäten frei? Welche externen Ressourcen im Bereich Logistik existieren? Und wie weit sind die Vertriebslager voneinander entfernt?
Besonderheiten bei der Einrichtung im SAP S/4HANA
Haben Sie sich nach der Analyse der Konzernziele und Logistikparameter für eines der Module entschieden, müssen die Customizing-Einstellungen für den Intercompany-Prozess hinterlegt werden. Dazu gehört unter anderem die Zuordnung von Werk, Buchungskreis, Verkaufsorganisation, Vertriebsweg, interne Kundennummer.
Ebenso wichtig ist die Stammdatenpflege im laufenden System. Diese betrifft folgende Parameter:
- Kundenstammsatz in der verkaufenden VkOrg (Endkunde)
- Kundenstammsatz des internen Kunden in der VkOrg des auftraggebenden und liefernden Buchungskreises
- Materialstammsatz in der Verkaufsorganisation des verkaufenden und liefernden Buchungskreises
- Konditionsstammsätze (PR00 sowie IV01 oder IV02):
- PR00 = Preis für den Endkunden
- IV01 = interne Verrechnung zwischen den Buchungskreisen (mengenabhängig)
- IV02 = interne Verrechnung zwischen den Buchungskreisen (prozentual)
Automatisch oder manuell? Abbildung der internen Verrechnung
Damit eine Zahlung erfolgen kann, muss in der Finanzbuchhaltung des auftraggebenden Buchungskreises eine interne Rechnung erfasst werden. Dies kann entweder manuell oder automatisch erfolgen. Beim manuellen Prozess wird das Rechnungspapier mithilfe der Nachrichtenart RD00 ausgedruckt und an den Regulierer versendet.
Automatisiert wird der Prozess, indem die Sales-Nachrichtensteuerung so eingestellt wird, dass in der internen Faktura die Nachrichtenart RD04 gefunden wird. Auch die automatische kreditorische Buchung wird durch die Nachrichtenart RD04 angestoßen (SAP-EDI). Voraussetzung dafür ist, dass der liefernde Buchungskreis als Kreditor im SAP angelegt ist.
Fazit
Obwohl Intercompany-Prozesse zu den Standard-Prozessen im SAP S/4HANA-System gehören, kommt es bei der Implementierung häufig zu Problemen. Wie die vorhergehenden Ausführungen zeigen, sollten vor der Einführung Konzernziele und Logistikparameter genau betrachtet werden, um das passende Szenario zu wählen. Darüber hinaus gelten einige Besonderheiten bei der Einrichtung – hier steckt der Teufel oft im Detail.