Wer sein Netzwerkumfeld automatisieren möchte, benötigt dafür standardisierte Prozesse. Klar ist: Komplexität lässt sich nicht automatisieren. Doch wer diesen großen Schritt geht, wird langfristig profitieren. Das erfuhren wir selbst, als wir unser Testlabor automatisierten. Es entstand eine hochflexible Umgebung, die mit Fug und Recht den neuen Namen Innovation & Testing Center trägt. Unser Aufwand wurde belohnt.
Automatisierung ist in vielen Branchen längst schon gelebte Wirklichkeit, zum Beispiel in Container Häfen, oder in der IT-Welt in der Cloud. Speziell im Netzwerkumfeld jedoch steckt die Automatisierung noch in den Kinderschuhen. Sie ist Thema vieler Diskussionen und technologischer Ansätze, wird jedoch nur sehr zögerlich umgesetzt.
Komplexität kann man nicht automatisieren
Eine gängige Meinung ist: „Das, was ich mache, kann man nicht automatisieren. Viel zu viele Ausnahmen, die individuelle Reaktionen im Prozess erfordern.“ Auf der anderen Seite ist es leider ein Irrglaube, zu meinen, dass man nur das richtige Tool einführen müsse und schon läuft alles automatisch ab. Komplexität kann man nicht automatisieren, zumindest nicht unter wirtschaftlich sinnvollen Gesichtspunkten. Hier zeigt sich direkt, worin die eigentliche Herausforderung bei der Automatisierung liegt. Es ist nicht die Technik, sondern es sind die Strukturen und Prozesse.
Wer Netzwerk-Automatisierung ermöglicht, erschließt neue Potenziale
So ist die wichtigste und vielleicht schwierigste Aufgabe vor der Automatisierung, die Prozesse automatisierbar zu machen. Diese gilt es zu identifizieren, zu vereinfachen, zu standardisieren und zu dokumentieren. Mit der richtigen technischen Umsetzung erzielt man nicht nur erhebliche Einsparungen. Es hat sich gezeigt, dass sich dadurch auch neue Ideen und Möglichkeiten für neue Geschäftsentwicklungen ergeben. Dies betrifft zum Beispiel die Erweiterung des Portfolios oder die Einführung neuer Geschäftsmodelle.
Auch wir haben diese Erfahrung unter anderem mit unserem eigenen Testlabor gemacht. Wir betreiben es für vielfältige Anwendungen: Wir realisieren dort Proof of Concept Tests, Regression Tests oder Type Approvals, wir stellen Fehlerbilder nach und wir bieten Hands-on Trainings an. All das erfordert jedoch ständig einen Wechsel zwischen verschiedenen Setups und Topologien. Die Rüstzeiten für die Vorbereitung eines solchen Setups waren immens, da jedes Setup eine neue Verkabelung erforderte. Irgendwann war klar: Wir müssen unser PoC Lab automatisieren, um den Aufwand zu reduzieren.
Hard- und Software im Zeichen der Flexibilität
Bei allen Überlegungen war für uns der Dreh- und Angelpunkt die Flexibilität. Auf Grund der unterschiedlichen Anwendungsfälle des Labors wollten wir eine flexible Verschaltung der zahlreichen Ports ohne den umfangreichen Verkabelungsaufwand. Es galt also eine verlässliche Plattform zu finden, die all das unterstützt. Gleichzeitig mussten wir im Vorfeld zielorientierte Standards definieren. Wir wollten den maximalen Nutzen aus der zukunftsfähigen Lösung ziehen und daher Antworten auf Fragen finden wie:
- Welche Topologien sollen mit dem Setup jetzt und zukünftig abgebildet werden?
- Wie viele Ports werden auf der Matrix benötigt, um für die aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerüstet zu sein?
- Welche Ports unserer Router und Switche sollen unveränderlich mit der Matrix verbunden werden, damit eine einmal generierte Topologie beim nächsten Mal wieder die gleichen Ports miteinander verschaltet?
Schlussendlich entschieden wir uns für eine „Media Cross Connect“ Plattform von AdvaTM. Diese verschaltet protokolltransparent Netzwerkinterfaces auf Layer 1 in einer Matrix miteinander. Ein Patch von Router A Port x auf Router B Port y wird ersetzt durch einen entsprechenden Befehl in der CLI der Matrix. Genau das wollten wir haben.
Darauf aufbauend galt es die passende Softwarelösung zu entwickeln. Sie musste nicht nur die Flexibilität der Hardware unterstützten, sondern sollte möglichst modular und offen sein. Jedes Modul sollte über APIs steuerbar sein.
Als Grundbaustein der Software legten wir uns auf die Graph-Datenbank Neo4j fest. Auf Grund ihrer Architektur, lassen sich Netzstrukturen ideal darin abbilden. Aufbauend auf die Neo4j setzen wir darüber hinaus verschiedene etablierte Open Source Tools ein und natürlich Python als Programmiersprache.
Ziel erreicht dank Netzwerk-Automatisierung
Die implementierte Lösung wird in jeder Hinsicht unseren Zielen gerecht. Wir sparen bereits jetzt so viel Zeit ein, dass allein die Berechnung der Einsparung nicht mehr sinnvoll ist.
- Topologien und dazugehörige Konfigurationen, die wir einmal generiert haben, rufen wir über den Orchestrator auf. In wenigen Minuten steht die Topologie und die Systeme sind direkt konfiguriert. Das Auch das Erstellen einer Topologie von Grund auf in einem YAML File ist mit ein wenig Übung je nach Komplexität in weniger als zwei Stunden erledigt. Früher benötigten wir dafür zwei bis drei Tage.
- Grundlegende Konfigurationsmodule wie das Aktivieren von OSPF oder eine MPLS Grundkonfiguration sind per Auswahl über den Browser schnell eingebracht.
- Testszenarien, die auf der gewählten Topologie mehrfach wiederholt werden müssen, z.B. für Regression Tests vor Software Updates, können einmal definiert und dann immer wieder reaktiviert werden, um dann automatisiert abzulaufen. Der Ergebnisreport wird sogar gleich mitgeliefert.
Der wirkliche Vorteil ist, dass wir durch die gewonnene Flexibilität neue und mehr Möglichkeiten zur Nutzung des PoC Labs haben. Die Auslastung der zugegebenermaßen nicht ganz günstigen Investition ist massiv gestiegen. Wir gaben daher mit einem gewissen Stolz dem Kind einen neuen Namen: aus unserem alten und komplexen PoC Lab ist das moderne, flexible und äußerst effektive Innovation und Testing Center (kurz: ITC) geworden.
Potenzial für die Zukunft noch nicht ausgeschöpft
Der jetzige Stand soll noch nicht das Ende sein. Wir arbeiten gerade daran, unseren Kunden einen Zugang zum ITC zu ermöglichen. Grundsätzlich ist das natürlich heute schon möglich, aber zukünftig soll die Einwahl bequem über ein Online-Portal möglich sein. Unsere Kunden können dann einfach ihre Setups abspeichern und bei Bedarf per Mausklick wieder aufrufen, um die notwendigen Tests remote durchzuführen. Damit erweitern wir die bisherige Funktion des ITC und erschließen ein neues Potenzial.
Für uns hat es sich gelohnt, den Schritt zur Automatisierung zu gehen. Es entstanden daraus neue Chancen, von denen wir und unsere Kunden langfristig profitieren werden. Das Beispiel zeigt: die Umsetzung von Automatisierung im Netzwerkumfeld ist kein Hexenwerk und der Aufwand wird belohnt.